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4 prägende Lokalisierungstrends für 2025

4 prägende Lokalisierungstrends für 2025

Lokalisierung ist eine 30 Milliarden US-Dollar schwere Industrie. Doch wohin bewegt sich dieser Koloss 2025? Wir blicken auf die wichtigsten Trends für das neue Jahr.

Ein roter Faden zog sich bereits durch Branchenevents und -news der jüngeren Vergangenheit: Im Fokus standen dort weder schillernde Persönlichkeiten noch sprachliche oder kulturelle Themen, sondern – nicht ganz überraschend – künstliche Intelligenz.

KI wird alternativlos

Language AI, also KI-generierte Texte und Übersetzungen, ist zur Priorität für globale Konzerne geworden. Zwei Beispiele:

Übersetzungen werden für Apps, Videos und Websites zukünftig „geräuschlos“ bereitgestellt. Diesen Trend nennt man Translation as a Feature (TaaF) – Near- oder Realtime-Schnittstellen, die dem Babelfisch aus Per Anhalter durch die Galaxis Konkurrenz machen.

Umwälzungen in der Branche

Auch Content-Management-Systeme wie Contentful bieten 2025 standardmäßig Features für KI-Übersetzungen. Nicht immer verfügen diese Tools jedoch über eine Schnittstelle zu Translation-Management-Systemen (TMS), wo Übersetzungen traditionell gepflegt und verwaltet werden. Das erschwert die Qualitätsprüfung mehrsprachiger Content-Bestände.

Innovative Übersetzungssoftware wie Lokalise oder Phrase bietet deshalb Konnektoren zu derartigen CMS an. Zudem werden eigene KI-Features vehement vorangetrieben. Als Folge sind in der Branche zahlreiche strategische Fusionen zu beobachten. Als aktuelles Beispiel ist hier die Übernahme des Machine-Translation-Anbieters Globalese durch memoQ zu nennen. Auch KI-Innovatoren wie Blackbird.io, eine Plattform, die Prozesse im Übersetzungsmanagement automatisiert, genießen ein immer höheres Standing in der Industrie.

Unsere kleine Branchenschau zeigt: KI hat in allen Bereichen zum Triumphzug angesetzt. Doch was müssen Unternehmen bei der Auswahl der besten Übersetzungstechnologie beachten? Einen Einblick liefert unser erster Lokalisierungstrend.

Lokalisierungstrend 1: NMT vs LLMs

Präzisester Übersetzer der Welt.

Weltbeste Übersetzungs-KI.

Fortschrittlichste KI-basierte Übersetzungsumgebung.

Mit diesen Slogans versuchen sich die Übersetzungsplattformen DeepL, Phrase und Trados gegenseitig zu übertrumpfen.

Doch was davon ist wahr? Und was hohles Marketing?

Unsere Antwort setzt bei der Basistechnologie an: Neural Machine Translation (NMT) oder Large Language Models (LLMs).

Lange Jahre war Neural Machine Translation à la Google Translate der unangefochtene Platzhirsch. 2022 stellte ChatGPT diesen Status quo auf den Kopf. Seitdem diskutiert die Branche fieberhaft: Welcher der beiden Technologien gehört in Sachen Übersetzung die Zukunft?

Konservativ betrachtet ist NMT noch immer die sicherere Wahl – schließlich wurde die Technologie im Gegensatz zu Large Language Models speziell für Übersetzungen entwickelt.

LLMs wie ChatGPT und Co. sind hingegen notorisch unzuverlässig – Stichwort Verbosity: Stets droht die Gefahr, dass die KI „geschwätzig“ wird und mitten in einer Übersetzung beginnt, Entscheidungen zu kommentieren oder unterschiedliche Übersetzungsvorschläge bereitzustellen.

Während Automatisierung, wie sie in der Automobilfertigung gang und gäbe ist, nahezu 100% Verlässlichkeit anvisiert, stellt unreglementierte KI ein Sicherheitsrisiko dar. Gerade in großen Unternehmen darf KI keinesfalls die Reputation oder gar Geschäftsziele gefährden.

Werden die obengenannten Kinderkrankheiten allerdings beseitigt, gehört LLMs zweifellos die Zukunft: Sie sind leistungsstärker, nutzen größere Mengen an Trainingsdaten und können den Sinnzusammenhang einer Übersetzung besser erfassen. Und am wichtigsten: Via Prompting sind sie flexibel an individuelle Anforderungen anpassbar.

Branchenreports wie der Machine Translation Report 2024 von Intento bestätigen diesen Trend und sehen zunehmend LLMs wie GPT-4o für Übersetzungszwecke vorn.

Lara von Translated: LLMs in Übersetzungsdiensten sind en vogue

Prognose: 2025 werden beide Technologien nicht länger gegeneinander konkurrieren, sondern verstärkt in Kombination zum Einsatz kommen. DeepL hat bereits kürzlich ein LLM der nächsten Generation in seinen Übersetzungsdienst integriert. Ebenso hybrid kommt der neue Übersetzungsservice „Lara“ von Translated daher, der mit einer sensationellen Rate von nur 2,4 Übersetzungsfehlern pro 1.000 Wörtern wirbt. Ein weiteres prominentes Beispiel ist der E-Commerce-Gigant Alibaba, der auf innovative Weise NMT- und LLM-Technologie für Übersetzungen in Onlineshops verschmelzt.

Egal, welche Technologie zukünftig dominieren wird – eine zentrale Herausforderung muss auf dem Weg zur perfekten „Übersetzung“ noch bewältigt werden. Dieser widmen wir uns im nächsten Lokalisierungstrend …

Lokalisierungstrend 2: Das Wettrennen um Kontext

Seit Jahrzehnten krankt maschinelle Übersetzung an einem zentralen Problem: miserablem Textverständnis.

Lange wurden einzelne Sätze nur isoliert übersetzt, was Übersetzungsfehler bedingte – ist Fluss im Englischen nun flow oder river? Worauf bezieht sich ein Pronomen wie it in dem Satz She couldn’t find it anywhere? Solche Fragen lassen sich kaum ohne zusätzliches Kontextwissen beantworten. Kontext bezeichnet dabei auch externe Textquellen, visuelle Referenzen wie Videos, stilistische Richtlinien oder ganz allgemein Weltwissen.

Menschliche Übersetzende berücksichtigen diesen Kontext intuitiv – Maschinen nicht. Wie lässt sich das ändern? Entwickler:innen von Language AI finden hier kreative Lösungen, von denen wir nachfolgend vier vorstellen.

Im Zwiegespräch mit der KI

Zum Feinschliff von KI-Übersetzungen generiert der AI Translation Assistant von Tomedes Fragen, die auf dem Textinput des Users basieren. Dieser wählt dann Multiple-Choice-Antworten aus, um beispielsweise die Tonalität, Zielgruppe oder bestimmte Übersetzungspräferenzen festzulegen – eine sehr variable Methode, um Übersetzungen je nach Texttyp weiter zu optimieren.

Die Übersetzungs-KI von Tomedes stellt dynamisch generierte Fragen zum übersetzten Text

Speech-to-Understanding

Untertitel in Videos haben eine fixe Textlänge und müssen auf das zugrundeliegende Bildmaterial abgestimmt sein. Das bereitet künstlicher Intelligenz bei der Übersetzung seit jeher Kopfzerbrechen. Einen neuen Ansatz wagt nun die Übersetzungssoftware Trados mit ihren Generative Subtitles: Die Texte einer Untertiteldatei werden dabei nicht mehr isoliert Zeile für Zeile, sondern im Gesamtkontext übersetzt. Zudem wird zur visuellen Einordnung eine KI-generierte Zusammenfassung des Videos herangezogen. Auch eigene Terminologie soll integrierbar sein.

Mit KI-gestützter Qualitätssicherung verspricht Trados einen Durchbruch in der Übersetzung von Untertiteln

Verschüttete Erinnerungen

Das „Gedächtnis“ von Übersetzungstools sind Translation Memories – Datenbanken, in denen frühere Übersetzungen zur Referenz gespeichert werden. Diesen wertvollen Datenschatz macht das Translation-Management-System memoQ nun auch für KI-Übersetzungen zugänglich. Mit memoQ AGT werden Übersetzungen automatisch auf bereits vorhandene Sprachressourcen abgestimmt, zu denen neben Translation Memories auch Glossare und Referenzdokumente zählen.

AGT ist in die Übersetzungssoftware memoQ integriert

Übersetzen mit Stil

Ein Großteil moderner Übersetzungssoftware bietet bereits heute die Möglichkeit, der KI grundlegende Leitlinien zum Stil und Kontext von Übersetzungen zur Hand zu geben. Ein Beispiel ist Lokalise, das Angaben zum gewünschten Sprachduktus, Zielmarkt und Thema der Übersetzung ermöglicht. Zwar reicht das nicht immer aus, um einen komplexen Markenstil akkurat abzubilden; dennoch lässt sich die Übersetzungsqualität hierdurch teils spürbar verbessern.

Simple Kontextangaben im Übersetzungstool Lokalise

Prognose: Das Potenzial von künstlicher Intelligenz liegt in der Analyse und Interpretation riesiger Datenmengen. Wenn es KI 2025 besser gelingen sollte, ein „kollektives Gedächtnis“ des gesamten Übersetzungskontexts zu entwickeln, wird sie noch schneller zur echten Konkurrenz für menschliche Übersetzende.

Lokalisierungstrend 3: KI wird noch „menschlicher“

Rohe Datenpower allein reicht für eine effektive künstliche Intelligenz nicht aus. Inspiration schöpfen KI-Forscher deshalb zunehmend auch aus menschlichen Verhaltensweisen. So soll eine Übersetzungs-KI, an der ein Forschungsteam bei Google derzeit arbeitet, den mehrstufigen Übersetzungsprozess von professionellen Fachübersetzer:innen nachahmen:

  1. Zu Beginn wird eine Hintergrundrecherche und Textanalyse durchgeführt, um mögliche Herausforderungen bei der späteren Übersetzung zu identifizieren.
  2. Anschließend erfolgt eine Rohübersetzung, die nah am Originaltext bleibt.
  3. Diese Rohfassung wird dann im Hinblick auf Flüssigkeit und Struktur überarbeitet.
  4. Als letzter Schritt wird in einer Korrekturphase sichergestellt, dass die Übersetzung fehlerfrei und veröffentlichungsreif ist.

Prognose: Language AI imitiert menschliche Sprache und wird sich deshalb 2025 noch stärker an menschlichen Sprachkonventionen orientieren – vielleicht ja zum Beispiel dadurch, dass Algorithmen die durchschnittliche Informationsdichte in menschlicher Kommunikation berücksichtigen.

Lokalisierungstrend 4: Die Vermessung der Sprache

KI übersetzt Unmengen an Texten in eine rasant steigende Anzahl an Sprachen – darunter solche Perlen wie Afar, eine Sprache aus der kuschitischen Sprachfamilie, die von Nomaden in Ostafrika gesprochen wird.

Das ist bequem und ermöglicht eine unkomplizierte Verständigung im Alltag oder Urlaub. Ein unschöner Nebeneffekt bleibt jedoch: Unser Qualitätsanspruch an Sprache sinkt. Ob automatisch erzeugte Untertitel oder schlampig übersetzte Apps – wir gewöhnen uns zunehmend an schlechte Übersetzungen.

Im Privaten ist das vollkommen okay. Anders sieht die Sache aber aus, wenn Übersetzungen für Unternehmen oder gar das Wohl von Menschen von kritischer Bedeutung sind.

Hier braucht es eine strikte Qualitätskontrolle und transparente Qualitätsstandards für Übersetzungen – gerade angesichts der steigenden Risiken durch den unprofessionellen Einsatz von maschineller Übersetzung und KI.

Genau hier setzt die im Juni 2024 veröffentlichte DIN ISO 5060 Richtlinie  an. Dabei handelt es sich um die erste Norm, mit der sich objektive, systematische und aussagekräftige Evaluierungen von Übersetzungen durchführen lassen.

DIN ISO 5060 formuliert eine Fehlertypologie mit sieben Hauptkategorien:

  • Terminologie
  • Inhaltliche Korrektheit
  • Sprachkonventionen
  • Stil
  • Lokale Konventionen
  • Zielgruppeneignung
  • Design und Markup

Alle Fehlertypen können flexibel konfiguriert und hinsichtlich der Schwere gewichtet werden. Das ermöglicht eine maßgeschneiderte Definition von Qualität für jede Art von Text – ob Softwareoberfläche, Werbetext oder Pressemitteilung.

Wichtig dabei: Die DIN ISO 5060 legt den Fokus auf das Ergebnis, nicht auf Prozess. Frühere Übersetzungsstandards wie die DIN ISO 17100 konzentrierten sich auf die Entstehungsweise von Übersetzungen: Welche Qualifikationen bringen die eingesetzten Übersetzer mit? Wird der Text von einer zweiten Person Korrektur gelesen? Wie professionell ist das Übersetzungsmanagement im Hinblick auf Dokumentation und Datenschutz?

Die Entscheidung der DIN ISO 5060, die Übersetzungsqualität stärker vom zugrundeliegenden Prozess zu entkoppeln, ist nur konsequent in einer Welt, in der die Grenzen zwischen menschlichen und automatisch erzeugten Übersetzungen zunehmend ins Dunkel abgleiten.

Prognose: Die Messung von Übersetzungsqualität wird künftig noch stärker standardisiert und verfeinert. Dabei kann je nach Anwendungsfall eine menschliche oder automatisierte Qualitätssicherung zum Einsatz kommen: Steht viel auf dem Spiel, sollte die Textqualität auf Basis der DIN ISO 5060 durch einen Menschen geprüft werden. Wer nur eine grobe Einschätzung der Brauchbarkeit von KI-Übersetzungen benötigt, kann dagegen auf automatisierte Ansätze wie Machine Translation Quality Estimation (MTQE) zurückgreifen.

Ausblick

Unsere Lokalisierungstrends zeigen: Es tut sich viel im Bereich KI und Übersetzung! Dennoch bleiben viele Lösungen, die die im Nachgang des großen KI-Hypes 2023 konzipiert wurden, unausgereift oder befinden sich noch in Entwicklung. Das könnte aber sich aber 2025 schlagartig ändern.

Folgende Anforderungen werden an die Übersetzungs-KI der Zukunft gestellt:

  • KI-Übersetzungen müssen flexibel an Kunden- oder Unternehmensanforderungen anpassbar sein. Generische Systeme wie die Gratis-Versionen von DeepL oder ChatGPT werden für professionelle Anwender zunehmend uninteressant.
  • KI-Übersetzungsdienste funktionieren nur im Gespann mit menschlichen Experten. Diese managen als letzte Qualitätsinstanz komplexe Übersetzungsanforderungen im Hinblick auf Terminologie, Stil, Branding und gesetzliche Vorgaben.

Die Evolution von leidlich verständlichen hin zu quasi druckreifen KI-Übersetzungen schreitet rasant voran. Dennoch bleiben „perfekte“ automatische Übersetzungen ein Wunschtraum. Denn Sprache ist kein Algorithmus aus Nullen und Einsen – sie bleibt irrational und wandelt sich auf nicht vorhersehbare Weise.

Auch was einen „guten Text“ ausmacht, ist bis zu einem gewissen Grad subjektiv und von unzähligen Faktoren wie dem konkreten Kommunikationskontext sowie den individuellen Erwartungen von Autorin und Leser abhängig.

Es bleibt also spannend, inwieweit künstliche Intelligenz unsere chaotische menschliche Sprache in Zukunft weiter „zähmen“ kann.

Johannes Rahm

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Johannes ist ein erfahrener Übersetzer, Copywriter und SEO-Spezialist, der seit über einem Jahrzehnt in der Lokalisierungsbranche aktiv ist. Sein Fokus liegt dabei auf der Übersetzung von Marketing-Content für führende B2B-Unternehmen in der DACH-Region. Trotz seiner Passion für Science Fiction hält er die menschliche Sprache auch im Zeitalter von KI für unsere mächtigste „Technologie“ und erkundet fortlaufend ihr Potenzial, Menschen und Organisationen zusammenzubringen und zu inspirieren.

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Inhaltsverzeichnis

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